dima-Interview: Sicherheitsschaltgerät ab Losgröße 1

Das Unternehmen Pilz aus Ostfildern bietet Interessenten weltweit erstmals die Möglichkeit, sein modulares Sicherheitsschaltgerät myPNOZ ab Losgröße 1 zu ordern. Benötigen Industriekunden eine so außergewöhnlich hohe Individualisierung tatsächlich? Für welche Bereiche eignet sich dieser Meilenstein? Produktmanager Florian Rotzinger stellt sich im dima-Interview unseren Fragen.
Über das intuitiv bedienbare Onlinetool myPNOZ Creator stellen Anwender 'ihr' individuelles Sicherheitsschaltgerät zusammen.
Über das intuitiv bedienbare Onlinetool myPNOZ Creator stellen Anwender ‚ihr‘ individuelles Sicherheitsschaltgerät zusammen. Bild: ©industryview/iStock.com / Pilz GmbH & Co. KG

dima: Herr Rotzinger, das modulare Sicherheitsschaltgerät wird weltweit erstmals in Losgröße 1 angeboten. Überfordern Sie Ihre Kunden nicht mit dieser Individualisierung?

Nein, im Gegenteil – gerade das Thema Anwenderfreundlichkeit hat uns bei der Entwicklung geleitet. Schauen wir kurz zurück auf den herkömmlichen ‚alten‘ Weg, wie ein Anwender zu seiner Lösung gekommen ist: Um ein Schutzziel zu erreichen, soll eine trennende Schutzeinrichtung zum Einsatz kommen. Hierfür muss die geeignete Produktauswahl sowohl in funktionaler als auch sicherheitstechnischer Hinsicht erfolgen. Weil wiederum jede Maschine als sekundäre Schutzmaßnahme ja immer über einen Not-Halt verfügen muss, sind also mehrere Produkte auszuwählen. Deren Kombination und Zusammenwirken aber ist vom Anwender selbst sicherzustellen; er muss auch die Produkte hierfür in aller Regel einzeln bestellen und dann zusammenbringen – alles in allem ein für den Anwender eher komplexer und so auch aufwendiger Prozess.

>>Wir liefern myPNOZ vorkonfiguriert und einbaufertig<<

Anders beim myPNOZ: Anwender werden über unser Onlinetool hierbei gut entlastet. Dieses Onlinetool ist Produktkatalog, Auswahlhilfe und Engineering-Plattform in einem, inklusive Simulation, Dokumentation und Bestell-Tool. Softwarekenntnisse für die Programmierung oder Erstellung sind nicht notwendig, auch eine separate Software wird nicht benötigt. Der Anwender wählt seine Sicherheitsfunktionen und die dazu passenden Verknüpfungen, der Creator wählt die ideale Hardware. Lediglich der für ihre Applikation geforderte Safety Level muss bekannt sein, und gegebenenfalls die einzusetzenden Sensoren und Aktoren.

Produktmanager Florian Rotzinger: "Mittels aufgedrucktem Typenschlüssel können Anwender die passende Konfiguration jederzeit erneut bestellen."
Produktmanager Florian Rotzinger: „Mittels aufgedrucktem Typenschlüssel können Anwender die passende Konfiguration jederzeit erneut bestellen.“Bild: Pilz GmbH & Co. KG

dima: Wie komplex ist die Bestellung und Konfiguration?

Für den Anwender ist das Onlinetool auf jeden Fall intuitiv bedienbar, weil unser myPNOZ Creator ihn bei der Übersetzung seiner Logik unterstützt. Was er tun muss, ist die Anzahl, Art und Logik der Sicherheitsfunktionen zueinander festzulegen. Danach folgt er einem transparenten und einfach gehaltenem Ablauf. Je nachdem, um welche Sicherheitsanforderung es geht, verschaltet er z.B. Not-Halt, Schutztürsensoren oder Lichtgitter mit logischen Und-/Oder-Verknüpfungen.

Das Tool zeigt Logikfehler in der Abfolge der Sicherheitsfunktionen an. Auch kann die erstellte Logik direkt simuliert werden, um zu verifizieren, ob myPNOZ wie gewünscht reagiert. Sind die gewählten logischen Verknüpfungen valide, berechnet der myPNOZ Creator automatisch, welche Module notwendig sind und in welcher Reihenfolge diese gesteckt werden müssen. Da diese Verknüpfungslogik der Sicherheitsfunktionen über die Modulauswahl und deren Steckreihenfolge definiert ist, braucht der Anwender keine Softwarekenntnisse.

Zusätzlich erhalten Anwender neben der Dokumentation auch einen Verdrahtungsplan und können dann gleich per Mausklick das myPNOZ in der gewünschten Konfiguration bestellen. Wir liefern das Produkt vorkonfiguriert und einbaufertig. Es bleibt nur zu verdrahten und – auf Basis der ebenfalls enthaltenen Safety Matrix – schnell in Betrieb zu nehmen.

Last but not least: Durch den auf dem Gerät aufgedruckten Typenschlüssel kann bei Bedarf in genau dieser Konfiguration jederzeit erneut bestellt werden. Sollten sich während der Maschinenentwicklung die Anforderungen an die Sicherheit der Applikation ändern, kann der Kunde dies ebenfalls flexibel anpassen.

Mit dem innovativen Sicherheitsschaltgerät hat Pilz einen Meilenstein mit Blick auf die Digitalisierung in der Industrie gesetzt: Hiermit bieten die Baden-Württemberger sichere Lösungen an, die der Kunde nach 'seinen' spezifischen Anforderungen individuell in Losgröße 1 erhält.
Mit dem innovativen Sicherheitsschaltgerät hat Pilz einen Meilenstein mit Blick auf die Digitalisierung in der Industrie gesetzt: Hiermit bieten die Baden-Württemberger sichere Lösungen an, die der Kunde nach ’seinen‘ spezifischen Anforderungen individuell in Losgröße 1 erhält.Bild: ©Suradech14/iStock.com / Pilz GmbH & Co. KG

dima: Wofür kommt das Sicherheitsschaltgerät innerhalb der Fertigungsumgebung zum Einsatz?

Mit Blick auf die Branchen oder Industriebereiche haben wir allgemein die Automatisierung im Maschinen- und Anlagenbau im Fokus, wobei das Gerät in vielfältigen Branchen einsetzbar ist, etwa in verschiedenen Be- und Verarbeitungsmaschinen. Ganz allgemein gesprochen richtet sich myPNOZ an Maschinen-, Anlagenbauer und Automatisierer aller Branchen, die zwei bis maximal 16 Sicherheitsfunktionen abdecken und dabei keine Engineering-Software einsetzen wollen – also Sicherheitsapplikationen im einfachen bis mittleren Komplexitätsbereich. Daneben profitieren Anlagenhersteller, für die sich konfigurierbare Kleinsteuerungen wie PNOZmulti 2 (noch) nicht lohnen, die aber mehrere Sicherheitsfunktionen gerne mit einer der Software-Programmierung vergleichbaren Logik einrichten wollen.

Als Faustformel gilt: Eine oder zwei Sicherheitsfunktionen, etwa Not-Halt und Schutztür, lassen sich auch in Zukunft gut und wirtschaftlich über ein klassisches Sicherheitsschaltgerät abdecken. Im Bereich zwischen zwei bis sechzehn überwachten Sicherheitsfunktionen kommt myPNOZ als effiziente und rentable Alternative in Betracht, weil es hier die flexiblere sowie ausbaufähigere Variante darstellt.

dima: Der Begriff Industrie 4.0 feiert 2021 sein 10-jähriges Jubiläum: Pilz war direkt zu Beginn an diesem ‚Projekt‘ beteiligt. Ist der aktuelle Schritt ein weiterer Meilenstein für die Smart Factory?

Im Kontext mit Industrie 4.0 ist die Vernetzung ein Schlüsselbegriff: Erst durch sie wird es möglich, nicht nur einen Produktionsschritt, sondern eine ganze Wertschöpfungskette zu optimieren. Sie sollte idealerweise alle Phasen des Lebenszyklus eines Produktes – von der Produktidee über die Entwicklung, Fertigung sowie Anwendung bis hin zu Wartung und einem möglichen Recycling – umfassen.

Eine weitere Herausforderung in der Industrie besteht darin, eine für Großserien ausgelegte Fertigung so zu gestalten, ein Produkt in Losgröße 1 wirtschaftlich herzustellen. Mit unserem neuartigen myPNOZ haben wir eine komplett neue Produktlinie auf Basis dieser Philosophie konzipiert. Das ist sicher ein Meilenstein mit Blick auf die Digitalisierung in der Industrie – ein komplett neuartiger digitaler Prozess wurde aufgesetzt, über den Anwender weltweit und erstmals im Bereich ihr Produkt ab Losgröße 1 ordern können.

www.pilz.com

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