
Fahrzeugsitze sind eine entscheidende Komponente für die sichere Mobilität. Beispielsweise werden Strukturteile verbaut, die im Crashfall den Oberschenkelbereich gezielt in den Airbag gleiten lassen. Die hierfür eingesetzten Tiefziehteile produziert Adient in Großserien von mehreren Millionen Teilen.
Global unterwegs
Als weltweit größter Hersteller produziert Adient komplette Fahrzeugsitze als auch Komponenten für die Automobilindustrie. Der Global Player mit Sitz in Dublin beschäftigt rund 75.000 Mitarbeiter in mehr als 208 Betriebsstätten und 33 Ländern. Die Europazentrale befindet sich im nordrhein-westfälischen Burscheid. Hier sind die Produktentwicklung und Konstruktion, das Industriedesign, Benchmarking und Prototyping sowie die Verbraucher- und Marktforschung angesiedelt.

Zu den Automobilherstellern, die aus Burscheid Sitzkomponenten und -systeme beziehen, gehört die Stellantis-Gruppe (Fiat, Chrysler, Opel und Peugeot). Hier wurde in eine neue Plattform von Peugeot erst kürzlich ein Bauteil für Sitzflächen integriert. Bei Laufzeiten von zehn, mitunter zwölf Jahren, die solche Plattformen heutzutage erfüllen müssen, wird von einer zu produzierenden Stückzahl von sechs Millionen Teilen ausgegangen. Gefertigt wird das Tiefziehteil bei einer Blechdicke von 0,9mm aus HC340LA, wofür Pressen bis 2000t sowie 8-m-Transferwerkzeuge zur Anwendung kommen. Bei geplant sechs Millionen Teilen – doppelt fallend hergestellt – soll das Werkzeug über zehn Jahre Laufzeit mehr als 3,5 Millionen Hübe ausführen.
Werkzeugkosten früh kennen
In Projekten wie mit Peugeot muss Adient die Werkzeugkosten möglichst früh genau kennen. Den Start markiert dabei eine Kundenspezifikation, die den Bauraum im Fahrzeug bis hin zu den vertikalen und horizontalen Wegen des Sitzes definiert. „Unser Engineering entwirft daraus ein Design, das so bald wie möglich an den Toolingbereich weitergegeben und hier simuliert wird“, berichtet Andreas Ortiz Göthling, Manager Tooling Product Group Metals. „So arbeiten wir Hotspots am Bauteil heraus, bewerten die Herstellbarkeit der Werkzeuge und gewährleisten von Anfang an die Durchgängigkeit der Prozesskette.“
>>Mit dem CostEstimator Fertigungsschritte exakt definieren<<
Ist dieser Designprozess zu etwa 50 Prozent fortgeschritten, bringt Adient erstmals den CostEstimator von AutoForm zum Einsatz. Ermittelt werden so im Detail die Werkzeugkosten – zuvorderst auch, um dem Kunden das Konzept vorstellen und begründen zu können. Der CostEstimator fungiert damit nicht nur als Tool zur reinen Kostenanalyse: Indem die Software Bauteilmerkmale mit Fertigungsoperationen verknüpft und daraus Werkzeugkosten ableitet, lässt sich das Design dem Kunden plausibel machen und auf dieser Basis technologie- und kostenoptimieren. „Auch Änderungen, die wir dem Kunden im weiteren Verlauf vorschlagen, lassen sich mit dem CostEstimator sauber begründen. Denn mit dem Tool haben wir belastbare Zahlen an der Hand, die zu klaren Aussagen führen“, weiß Göthling zu schätzen.

In derartigen Presswerken von Adient werden die Tiefziehteile für Peugeot in 13 Operationen gefertigt. – Bild: Adient plc.
Fertigung optimieren – Gesamtkosten beherrschen
„Wenn wir eine solche Kostenabschätzung starten, importieren wir zunächst die CAD-Geometrie des herzustellenden Bauteils“, beschreibt Göthling. „Anschließend werden für das Bauteil die fertigungsgerechte Positionierung gefunden sowie das Material und die Materialstärken definiert.“ Weil im Fall von Peugeot zwei Teile pro Hub fallen, wurde erst die Symmetrie definiert. Danach fiel die Entscheidung zugunsten einer Transferpresse und die Fertigung mit insgesamt 13 Operationen (Coil abschneiden sowie zwölf Formoperationen). „An diesen Operationen nimmt dann die Software mit sogenannten Bauteilfeatures automatisch Verfeinerungen vor“, berichtet Leonard Krauss, Produktmanager bei AutoForm. „Das kann ein Detail im Ziehbereich sein, es kann sich aber auch um Löcher, Flansche oder eine Präzisierung beim Randbeschnitt handeln.“ Der Anwender hat damit die Möglichkeit, die Fertigungsschritte exakt zu definieren.
Ziel ist, den Methodenplan so plausibel wie möglich zu gestalten und eine fertigungsgerechte Methode zu erstellen. Auf Basis dieses Methodenplans – „Was soll wann wie gefertigt werden?“ – erkennt die Software, welche Komponenten nötig sind, um das Werkzeug komplett aufzubauen. „Für jede dieser Einzelkomponenten kalkulieren wir nun die Fertigungsaufwände, sprich die Ressourcen wie Materialien und Zukaufteile. Mit den hinterlegten Stundensätzen ergeben sich daraus schließlich die Kosten“, erläutert Account Manager Mathias Rüschenschmidt von AutoForm. Am Ende wird mit einer Bottom-up-Kalkulation die Gesamtsumme gebildet.
„Haben wir schließlich eine fertige Technologie, treten wir an unseren Werkzeuglieferanten heran“, so Göthling. Auch diesen Lieferanten gegenüber dient der CostEstimator für die Plausibilisierung: Sind die Materialpreise stimmig? Kann eventuell auf einen Fertigungsschritt verzichtet werden? „Für die gesamte Kosten- und Fertigungsstruktur brauche ich eine saubere Durchgängigkeit“, finalisiert Ortiz Göthling, „und die schafft mir der CostEstimator.“
Präzise Analyse
Wenn am Ende mit einer Bottom-up-Kalkulation die Gesamtsumme gebildet wird, kann der Anwender die verschiedenen Gewerke wie Engineering, CNC-Fräsen, Werkzeuganfertigung oder Werkzeugtryout noch genauer analysieren. Dabei lassen sich mögliche Optimierungen mit dem CostEstimator bis in die Details mit harten Zahlen plausibilisieren.