Fachartikel: Automation aus einer Hand

Bereits vor der Jahrtausendwende entwickelte Hermle erste eigene Automationslösungen für seine 5-Achs-Bearbeitungszentren. Bis heute gilt die Philosophie: alles aus einer Hand - vom ersten Entwurf einer Anlage bis zur Serviceleistung über die Garantiezeit hinaus.
Der Palettenwechsler PW 3000, hier in Kombination mit dem 5-Achs-Bearbeitungszentren der High-Performance-Line C 62 U, bewegt bis zu drei Tonnen schwere Werkstücke.
Der Palettenwechsler PW 3000, hier in Kombination mit dem 5-Achs-Bearbeitungszentren der High-Performance-Line C 62 U, bewegt bis zu drei Tonnen schwere Werkstücke.Bild: Maschinenfabrik Berthold Hermle AG

1998 stellte Dietmar Hermle – heute Vorsitzender des Aufsichtsrats der Maschinenfabrik Berthold Hermle – die Weichen für das vielfältige Automationsprogramm der 5-Achs-Bearbeitungszentren (BAZ) aus Gosheim: Er forderte eine eigene Lösung, mit der Hermle seine Kunden von der Erstauslegung bis hin zur Servicedienstleistung über die Gewährleistungszeit hinaus komplett betreuen kann.

„Alles aus einer Hand, ohne fremde Schnittstellen“, erinnert sich Gerd Schorpp an die damalige Ansage. Der Geschäftsführer der HLS Hermle Systemtechnik GmbH baute unter diesen Vorgaben ein Tochterunternehmen auf, das neben Individuallösungen integrierte Roboteranlagen für die vollautomatische Teilefertigung konzipiert und baut. Mit Erfolg: „Gestartet sind wir mit sechs Mitarbeitern, heute sind es beinahe hundert.“

Anfangs galt das primäre Ziel, Rüstzeit zu sparen. „Um hauptzeitparalleles Rüsten zu ermöglichen, entwickelten wir bei Hermle den ersten Palettenwechsler“, erinnert sich Schorpp. Während ein Werkstück bearbeitet wird, kann der Anwender ein weiteres vorbereiten und aufspannen. Sobald die Maschine fertig ist, tauscht das System die Paletten aus. Die Maschine ist innerhalb kurzer Zeit bereit für den nächsten Bearbeitungszyklus. „Das Prinzip kam gut an und wir gingen einen Schritt weiter. Was mit einer Palette funktioniert, geht auch mit mehreren. Dazu ergänzten wir unsere Wechsler um Speichermodule“, berichtet Schorpp. Statt zwei konnten nun bis zu 18 Paletten nacheinander abgearbeitet werden – das verlängte deutlich die Laufzeiten der Präzisionsmaschinen.

Erste Robotersysteme

Hermle fokussiert sich mit dem Wechsler auf eine maximal flexible Automation. Um jedoch noch produktiver zu arbeiten, brauchte es ein anderes Prinzip: Vor 15 Jahren stieg Hermle mit einem ersten Robotersystem in die Königsklasse der Automation ein. „Wichtig war uns schon damals die systemische Neutralität, die wir bei den Palettenwechslern nicht hatten. Das bedeutet, dass die Roboteranlagen an fast jede Hermle-Maschine passen“, erklärt der HLS-Geschäftsführer.

>>Die Handlingsysteme und Roboteranlagen erreichen Maschinenlaufzeiten zwischen 5.000 und 7.000 Stunden pro Jahr<<

Kommt eine Roboteranalage zum Einsatz, kreiert sie autonome Laufzeit. Denn: Im Gegensatz zum einfachen Palettenwechsler kann der Roboter neben dem Paletten- auch das Teile- und Werkzeughandling übernehmen. „Und hier liegt unser Knowhow, durch das wir uns von anderen Marktbegleitern frühzeitig abgehoben haben“, verrät Gerd Schorpp. Damit wurde der Palettenwechsler jedoch nicht überflüssig. „Gerade für große, schwere Werkstücke ist er bis dato alternativlos.“ Während die flinken und vielseitigen Roboter bis zu 420kg bewegen können, trägt der Palettenwechsler PW 3000 bis zu drei Tonnen. Er ist speziell für die Hermle-Maschinenbaureihen C 52 U und C 62 U ausgelegt.

Reif für ein neues Konzept

Um seinen Kunden einen wirtschaftlichen Einstieg in die Automation zu ebnen, suchte Hermle eine Lösung, die an mehrere Maschinen passt, um sie effizient in Serie produzieren zu können. Zudem sollte sie Platz für noch mehr Paletten bieten und intuitiv zu bedienen sein. Darüber hinaus durfte die Zugänglichkeit zum BAZ nicht einschränkt werden, damit der Anwender die Anlage auch manuell bedienen kann.

Die Antwort feierte 2017 Premiere: das HS Flex-System. Das flexible Handlingsystem passt an sechs Maschinentypen und ist daher im Gegensatz zu den herkömmlichen Palettenwechslern wirtschaftlicher zu fertigen. Bis zu zwei Speichermodule in Regalbauweise bieten Platz für maximal 40 Paletten. Für die intuitive Bedienung und Steuerung programmierten die Baden-Württemberger das Hermle Automation-Control-System (HACS). Die Software berechnet Laufzeiten und Werkzeugeinsätze voraus und bietet einen Überblick über das System, Arbeitspläne, Paletten, Aufgaben, Werkzeuge und mehr.

Jüngstes Mitglied des Automatisierungsangebots ist das Handlingsystem HS Flex heavy. Das 2020 vorgestellte System ist für Bauteilgewichte bis zu 1.200kg ausgelegt und gestattet die Automatisierung von vier Hermle-Maschinenmodellen, erstmalig auch die der C 650.

Künftig noch flexibler und autonomer

Die Zukunft geht hin zu mehr Flexibilität und Autonomie im Werkstück- und Werkzeughandling. Die Automation hört nicht mehr am Rüstplatz auf, sondern verlässt die Grenze des eigentlichen Bearbeitungsprozesses: Fahrerlose Transportsysteme (FTS) liefern Werkstücke oder Werkzeuge autonom zu, Roboter übernehmen das Bestücken der Paletten und liefern am Ende das fertige Bauteil ab.

„Die Vernetzung und Digitalisierung spielt hierbei eine wichtige Rolle“, betont Schorpp. „Über das ERP-System erhält die Robotersteuerung die Informationen zu Aufträgen und Terminen. Während unsere Software für die Anlagensteuerung die Aufgaben auf die einzelnen Maschinen verteilt und Rohmaterial anfordert, sorgt das Flottenmanagement dafür, dass die FTS die Materialien rechtzeitig anliefern“, erläutert der Geschäftsführer. Den ersten Schritt in Richtung Zukunft ist Hermle bereits gegangen: Bei einem Hersteller verknüpft der Gosheimer Maschinenbauer seine Roboteranlage mit den fahrerlosen Transportsystemen. Diese sorgen für eine automatisierte Werkstück- sowie Werkzeugbereitstellung – Just in Time.

Handlingsystem oder Roboter?

Die Frage, ob ein HS Flex-System oder eine Roboteranlage sinnvoller ist, hängt vom Anwendungsfall ab. Ein Roboter kann mehrere BAZ bedienen und erlaubt damit eine Verkettung von Anlagen. „In Kombination mit entsprechenden Matrizenspeichern und Palettenmagazinen schaffen wir mit solch einem System deutlich mehr Kapazität“, so HLS-Geschäftsführer Gerd Schorpp. „Zudem erreichen die Handlingsysteme und Roboteranlagen Maschinenlaufzeiten zwischen 5.000 und 7.000 Stunden pro Jahr – beim Robotersystem aber mit deutlich weniger Personaleinsatz.

www.hermle.de

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