dima-Interview: Verzahnen par excellence

Klingelnberg gilt als weltweit führend in der Entwicklung und Fertigung von Verzahnungsmaschinen. Im Fokus der Unternehmensgruppe stehen Verzahnungskomponenten für den Maschinenbau. Im Interview stellt sich Dr. Hartmuth Müller, Leiter Technologie und Innovation bei Klingelnberg in Hückeswagen, unseren drei dima-Fragen.
Die Klingelnberg GearEngine ist ein durchgängiges cyber-physisches Produktionssystem, das sowohl das Zahnrad als auch alle Produktionsmittel wie Maschinen, Werkzeuge und Spannmittel als digitalen Zwilling abbildet.
Die Klingelnberg GearEngine ist ein durchgängiges cyber-physisches Produktionssystem, das sowohl das Zahnrad als auch alle Produktionsmittel wie Maschinen, Werkzeuge und Spannmittel als digitalen Zwilling abbildet.Bild: Klingelnberg GmbH

dima: Herr Dr. Müller, mit welchen Maschinen und Prozessen unterstützt Klingelnberg Fertigungsunternehmen beim Thema Verzahnen?

Für die allermeisten Werkzeugmaschinen ist CAD/CAM das Rückgrat der Konstruktion und Fertigung. Die Geometrie des Bauteils bildet die Grundlage, auf welcher die Werkzeugauswahl und die Maschinenbewegungen erzeugt werden. Bei Verzahnmaschinen ist das grundsätzlich anders: Hier steht nicht die Geometrie im Vordergrund, sondern das mathematische Modell, wie sich die Zahnflanken erzeugen lassen. Statt eines CAD-Systems basiert die Verzahnungsberechnung auf mathematischen Prinzipien.

Dr. Hartmuth Müller:
Dr. Hartmuth Müller: „Neben der Verzahnungsauslegung und den Fertigungsschritten bieten wir auch kompetente Beratung durch unsere Anwendungsingenieure an. Diese stellen sich allen Fragen entlang der Prozesskette, von der Auslegung bis zum Einbau im Getriebe.“ Bild: Klingelnberg GmbH

Somit braucht es für die Fertigung einer Verzahnung zunächst ein Software-Tool zum Berechnen der Verzahnung, welches die Werkzeuggeometrie sowie die Bewegung zwischen Werkstück und Maschine erzeugt. Je nach Gattung der Verzahnung hat Klingelnberg neben den zwingend erforderlichen Softwarepaketen zur Auslegung die jeweiligen Maschinen im Portfolio.

Für gerad- und spiralverzahnte Kegelräder bieten wir neben den Fräsmaschinen auch die Maschinen zur Herstellung der Fräswerkzeuge an. Kegelräder erhalten in aller Regel eine Hartfeinbearbeitung; hier ist die Qualität der Wärmebehandlung entscheidend. Dafür haben wir Härtepressen im Angebot, um die Härteverzüge so klein wie möglich zu halten. Für die eigentliche Hartfeinbearbeitung stehen je nach Verzahnverfahren Läpp- und Schleifmaschinen zur Verfügung.

Auch für die Qualitätsprüfung gibt es zwei unterschiedliche Wege: Koordinatenmesstechnik und Laufprüfung. Mit den Präzisionsmessmaschinen der P-Baureihe verfügen wir in der Getriebeindustrie über ein festes Standbein. Diese Messtechnik eignet sich vorzüglich für die Rückkopplung in die Fertigung, da sich auf Basis der Ist-Geometrie des Zahnrades Fertigungsabweichungen im Closed Loop durch entsprechende Softwareprogramme automatisch minimieren lassen. Die ergänzende Laufprüfung eines Kegelradpaares stellt dann sicher,r, dass die geforderte Funktion auch nachweislich erfüllt wird. Dazu haben wir unterschiedliche große Testmaschinen im Portfolio.

Bei Stirnrädern gibt es nicht so viele unterschiedliche Verzahnungsprinzipien. Klingelnberg fokussiert sich hier auf die Hartfeinbearbeitung. So bieten wir hochproduktive Wälzschleifmaschinen der Speed-Viper-Baureihe mit kurzen Bearbeitungszeiten und einer hochproduktiven automatischen Beladung an. Die Stirnrad-Schleifmaschine Viper 500 kann sowohl Wälz- als auch Profilschleifen und Innenverzahnungen bearbeiten. Die größeren Stirnrad-Schleifmaschinen der Rapid-Baureihe sind in der Lage, Zahnräder bis 10m Durchmesser zu schleifen. Auch hier spielen die Messmaschinen unseres Hauses eine entscheidende Rolle. Sie sind mit den Bearbeitungsmaschinen vernetzt, sodass ein Closed-Loop-Fertigungssystem zur automatischen Minimierung von Fertigungsabweichungen vorhanden ist.

dima: Zunehmend mehr Herstellungsbetriebe setzen auf Software und Vernetzung in der smarten Produktion. Verfügen Sie über spezielle Lösungen in diesem Bereich?

Smarte Produktion ist für Klingelnberg ein bekanntes Thema. Wir haben bereits Ende der 1980er Jahre begonnen, Software und Maschine als ein einheitliches mechatronisches System zu betrachten. Unsere Software zur Verzahnungsberechnung befindet sich weltweit bei allen unseren Kunden im Einsatz. Zudem ist die Vernetzung zwischen Messtechnik und Produktionstechnologie für ein Closed-Loop-Fertigungssystem schon seit längerem bei uns Stand der Technik.

Die Vernetzung zwischen Präzisionsmesstechnik und Produktionstechnologie für ein Closed-Loop-Fertigungssystem gehört bei den Verzahnungsspezialisten zum Standard.
Die Vernetzung zwischen Präzisionsmesstechnik und Produktionstechnologie für ein Closed-Loop-Fertigungssystem gehört bei den Verzahnungsspezialisten zum Standard.Bild: Klingelnberg GmbH

Mit der Klingelnberg GearEngine beispielsweise bieten wir ein durchgängiges cyber-physisches Produktionssystem an. Hier gibt es nicht nur den digitalen Zwilling des Zahnrades, sondern auch digitale Zwillinge aller Produktionsmittel wie Maschinen, Werkzeuge und Spannmittel, also einen digitalen Zwilling des Produktionsprozesses. Diese Abbildung der realen Welt auf der digitalen Ebene erlaubt dem Anwender eine vollumfängliche Dokumentation jedes seiner Produkte. Im Fall von Problemen lassen sich die Ursachen schnellstmöglich erkennen und beheben.

dima: Welche weiteren technischen Highlights bietet Klingelnberg aktuell an, die den Kunden wirtschaftliche Vorteile versprechen?

Der größte Vorteil zeigt sich, wenn Anwender so viel wie möglich durch Simulation vorhersagen können und sich damit unnötige Fertigungsschritte oder lange Prototypphasen sparen. Seit Jahren nutzen unsere Kunden den Closed Loop, um Herstellungsabweichungen zu minimieren – und das ohne einen der wenigen noch verfügbaren Fertigungsspezialisten. Je genauer die Ergebnisse der Software mit der späteren Realität übereinstimmen, desto schneller und kostengünstiger sind unsere Anwender am Markt.

Es beginnt mit der Verzahnungsauslegung. Wir sind heute in der Lage, das Laufverhalten und die Lebensdauer für gegebene Belastungsfälle zielsicher zu berechnen. Das spart Zeit und Kosten in der Fertigung und Erprobung. Mit der Simulationssoftware Gear Designer können wir für Stirnräder exakt voraussagen, wie das Ergebnis auf einer Wälzschleifmaschine im besten Fall aussehen kann.

Ein weiteres Highlight entsteht durch die Ergebnisse der GearEngine. So wurden beispielsweise in der Vergangenheit immer erst dann die Verschleißteile einer Spannaufnahme bei einer grenzwertigen Bauteilqualität gewechselt. Mit der GearEngine lässt sich nun der Verschleißzustand aller Produktionsmittel an jedem Ort in der Fabrik auf einem mobilen Endgerät wie Smartphone oder Tablet anzeigen. Die Fertigungsplanung wird dann nicht mehr überrascht, sondern kann liquiditätsschonend die Verschleißteile ordern, die als nächstes an der Reihe sind.

www.klingelnberg.com

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