„Gefühlt keine zehn Sekunden“ brauchte Uli Lars Bögelein, wie er sagt, für die Entscheidung, sich als Aussteller an der GrindingHub zu beteiligen. Die gesamte Branche werde von der Fachmesse profitieren, ist der Geschäftsführer der nahe Stuttgart beheimateten Stähli Läpp-Technik überzeugt. Er beschreibt drei Gruppen von Anwendern, vorrangig aus der Automobil- und Elektroindustrie, der Medizintechnik, dem Maschinenbau und der optischen Industrie, die zu ihm Kontakt aufnehmen. Für die erste sind die mitunter hohen Investitionskosten sowohl bei den 2- und 3-Scheiben-Flachhonmaschinen als auch bei den 1-Scheiben-Läpp- und -Poliermaschinen (noch) kein Thema, weil die benötigten Stückzahlen zu gering sind. Dann gebe es aber auch die Gruppe derjenigen, die hohe, wenn nicht gar extrem hohe Stückzahlen benötigen, sich aber den Prozess und alles, was dazu gehört, „ganz bewusst nicht ins Haus holen wollen“.
>>Einzigartig durch den letzten Schliff<<
Insbesondere Läppmaschinen seien sehr speziell und passten nicht in jede Produktion. Schließlich gibt es noch eine dritte Anwendergruppe, die bei Stähli Versuchsreihen startet. Sie möchte sich bis zum kompletten Hochlaufen der Serie zunächst mit Verfahren und Maschine vertraut machen sowie den Service und das Knowhow des Spezialisten nutzen. Dafür bietet Stähli Läpp-Technik auch die gesamte Bandbreite an Verbrauchsmitteln und Zubehör an.
Entwicklungstreiber im industriellen Umfeld
Die Motivation, sich stärker mit der Oberflächengüte und Verfahren der Finish- und Feinstbearbeitung zu befassen, hat nach Angaben von Thomas Harter, Produktmanager bei Supfina Grieshaber aus Wolfach im Schwarzwald, mit klar identifizierbaren ‚Entwicklungstreibern‘ zu tun. Supfina, ebenfalls Aussteller auf der GrindingHub, verfügt über langjährige Erfahrungen auf dem Gebiet der Superfinish- und Schleifbearbeitung, entwickelt Maschinen und betreibt zielgerichtete Forschung. Harter nennt Beispiele aus der Automobiltechnik.
So seien die zu erwartenden gesetzlichen Regulierungen zu Euro 7 und die damit verbundene Reduzierung der Feinstaubbelastungen Treiber für die Entwicklung am Bremsscheibenmarkt. Zukünftige Bremsscheiben, so der Experte, werden voraussichtlich mit Hartstoffbeschichtungen ausgeführt, die sich nur schwer bearbeiten lassen. Als Entwicklungspartner kümmere sich Supfina um die Prozessentwicklung zum Schleifen der beschichteten Bremsscheiben. Das Knowhow fließe in die Entwicklung der gesamten Prozesskette ein, um am Ende eine wirtschaftliche Fertigung der Bremsscheibe zu ermöglichen. Auch die E-Mobilität stelle neue Anforderungen an die Superfinishbearbeitung. Um Geräusche im Antriebsstrang, der Lenkung oder beim Verstellen von Sitzen und Fensterhebern im Fahrzeuginnenraum zu reduzieren, werden zukunftsfähige Lösungen benötigt. So wurde bei Supfina eine Maschinenbaureihe zur wirtschaftlichen Herstellung von geräuscharmen Wälzlagern entwickelt.
Spezifische Oberflächenkennwerte definieren
Wie sehr sich die Anforderungen an die Oberflächenqualität verändern und wie wichtig daher der exakte Abstimmungsprozess mit Kundinnen und Kunden ist, macht Dr. André Wagner, Leiter des Bereichs Grinding Technology bei Hermes Schleifmittel, Hamburg, deutlich. Während einige Prozesse, wie etwa die Hochleistungszerspanung von Stahl, vor allem hinsichtlich ihrer Produktivität und Wirtschaftlichkeit optimiert werden, müsse bei Prozessen wie dem Verzahnungsschleifen eine hohe Werkstückgüte generiert werden, so der Experte. Das in der Vergangenheit häufig gesetzte Ziel, die Oberflächenrauheit auf ein Minimum zu reduzieren, werde dabei zunehmend durch die gezielte Einstellung spezifischer Oberflächenkennwerte ersetzt. Auswahl und Definition der gewünschten Oberflächeneigenschaften hingen jedoch stark vom jeweiligen Anwendungsfall des Zahnrads und dem Ziel ab.
„Daher ist eine gute und ausgeprägte Kommunikation zwischen den Kunden und dem Schleifwerkzeughersteller essenziell“, betont Wagner. Es müssten sowohl die maschinellen Rahmenbedingungen als auch die Anforderungen an die Qualität des zu fertigenden Bauteils sowie die Produktivität des Prozesses im Vorfeld klar definiert und abgestimmt werden. Erst die genaue Zielsetzung in Verbindung mit einer anwendungsspezifischen Auslegung des Schleifprozesses ermöglicht nach Wagners Angaben ideale Prozessergebnisse.
Prozessketten im wissenschaftlichen Fokus
Finishing- und Feinstbearbeitungsverfahren können ihren Beitrag leisten, Werkstücke einzigartig zu machen. „Da ein Trend zur Herstellung von individualisierten Produkten in kleinen Losgrößen erkennbar ist, steigt der Bedarf an adaptiven Fertigungsverfahren, die sich an wechselnde Produktanforderungen anpassen lassen“, heißt es dazu am Institut für Werkzeugmaschinen und Fabrikbetrieb (IWF) der Technischen Universität Berlin. Hier stellen robotergeführte Bearbeitungsprozesse einen Forschungsschwerpunkt im Bereich Feinstbearbeitung und Finishing dar.
„Gerade in Kombination mit flexiblen oder frei beweglichen Werkzeugen wie beim Bürstspanen, Bandschleifen oder Gleitschleifen lassen sich robotergeführte Bearbeitungsprozesse auf viele unterschiedliche Bauteile anwenden“, erläutert Institutsleiter Prof. Eckart Uhlmann. „Auch Honprozesse, die konventionell auf starren Werkzeugmaschinen durchgeführt werden, können mittels robotergeführtem Honwerkzeug realisiert werden, um Bohrungen in unterschiedlichen Lagen nachzubearbeiten.“
Autorin: Cornelia Gewiehs, freie Journalistin, Rotenburg (Wümme)