Frau Rave, Sie sind als Chemie-Ingenieurin und langjährige Leiterin des Anwendungslabors bei Oemeta inzwischen für Business Vision zuständig und damit mitverantwortlich für das Thema Nachhaltigkeit. Wie gelang die ganzheitliche Implementierung im Unternehmen?
Andrea Rave: Nun, als wir uns dem Thema widmeten war schnell klar, dass wir uns nicht nur ein Etikett zu Marketingzwecken umhängen dürfen. Von Anfang an wollten wir das Thema Nachhaltigkeit sehr breit und ganzheitlich betrachten und als strategisches Ziel verankern. Der Gedanke an Nachhaltigkeit soll als geistige Haltung das gesamte Unternehmen mit allen Beschäftigten durchdringen. Wir wollen als nachhaltiger Unternehmer und Arbeitgeber wahrgenommen werden. Dazu haben wir ein Team gegründet, zu dem der Produktionsleiter, der technische Leiter, Einkäufer und Anwendungsberater gehören. Ich habe meine berufliche Erfahrung und Impulse aus der Außenwelt eingebracht sowie das Team koordinierend unterstützt.
Wie sieht die Arbeit dieses Teams aus?
Nachhaltigkeit ist der wichtigste Megatrend dieser Dekade. Damit Nachhaltigkeit eines unserer vier strategischen Ziele werden konnte, war uns von Beginn an bewusst, dass wir auch Dinge berücksichtigen müssen, die nichts mit der Produktion und dem Produkt zu tun haben. Drei wichtige Felder wurden identifiziert: Energie und Umwelt – soziale Nachhaltigkeit – ökonomische Nachhaltigkeit. Diese drei Felder adressieren direkt drei Dimensionen der Nachhaltigkeit, die die UN in ihren 17 Zielen für eine nachhaltige Entwicklung, die ‚Sustainable Development Goals‘ (SDG) definiert hat: Ökonomie, Ökologie und soziale Gerechtigkeit. Heruntergebrochen auf einen produzierenden Betrieb stellt sich die Frage der Nachhaltigkeit folglich nicht nur im Zusammenhang mit der Herstellung von Produkten, sondern auch mit der Beschaffung und Logistik von Rohstoffen, der Bewertung durch Märkte, Lieferanten, Banken, Versicherungen und Behörden sowie der direkten Nachbarschaft unseres Betriebs. Und schließlich geht es um die Sicherung der Arbeitsplätze.
>>Nachhaltigkeit ganzheitlich gedacht umfasst viel mehr als Produkte und Prozesse<<
Die Schmierstoffindustrie geht diesen Weg mit der ‚Initiative für nachhaltige Schmierstoffe‘. Dabei sollen alle Stakeholder in der Lieferkette sowie Industrieverbände, wie der Verband Schmierstoffindustrie (VSI), Politik und NGOs bei der Lösungsfindung integriert werden, um maximale Akzeptanz zu erreichen. Es ist davon auszugehen, dass über kurz oder lang die Planung und Durchführung von Produktionsprozessen ohne Nachhaltigkeits-Check nicht mehr möglich sein wird.
Aber als chemisches Werk und Hersteller von Kühlschmierstoffen spielen Produkte, Prozesse und Produktion doch sicher eine zentrale Rolle?
Ja selbstverständlich. Das ist aber für uns nichts Neues. Wir haben uns schon immer um die Umweltverträglichkeit unserer Produkte Gedanken gemacht. So haben wir bereits in den 1980er Jahren einen mineralölfreien esterbasierten Hochleistungs-Bearbeitungsschmierstoff entwickelt und Nachhaltigkeitsaspekte beim Einsatz von Bearbeitungsmedien für das Umformen oder die zerspanende Bearbeitung definiert und berücksichtigt. Schon immer haben wir Prozesse im Auge gehabt: die Prozesse zur Herstellung unserer Produkte, aber auch die Prozesse bei unseren Kunden, in denen unsere Produkte eingesetzt werden. Das ist bei Oemeta also schon immer eine ganzheitliche Betrachtung des kompletten Produktlebenszyklus.
Was kommt darüber hinaus noch dazu?
Heute geht es weit über Produkte und Prozesse hinaus und erfordert einen strategischen Ansatz in der Unternehmensführung. Denn der Druck auf produzierende Unternehmen, „nachhaltig“ zu sein, wird stetig größer: von Geschäftspartnern, Lieferanten und Kunden. Wir werden bewertet und stellen uns regelmäßig entsprechenden Audits. Relativ neu kommt jetzt auch Druck von Banken, Versicherungen und Behörden, die ebenfalls Nachhaltigkeits-Bewertungen erstellen. Wir haben uns früh darum gekümmert, auf alle Fragen dieses Umfelds auch entsprechende glaubwürdige Antworten zu haben. Des Weiteren befinden wir uns in Schleswig-Holstein in einem Netzwerk regionaler Unternehmen. Bundesweit unterstützen Initiativen wie der Deutsche Nachhaltigkeitskodex (DNK) den Aufbau einer Nachhaltigkeitsstrategie.
Das klingt nach viel mehr Anstrengungen, als nur eine Solaranlage aufs Dach zu installieren…
Eben. Und wir sind dabei schon viel tiefer eingestiegen als nur, um die einfachen Fragen nach Nachhaltigkeit beantworten zu können. Dazu zählt z.B. die Frage nach einer Solaranlage auf dem Dach. Wir betreiben Energiemanagement und kaufen unseren Strom ausschließlich aus regenerativen Quellen. Wir achten auf Ressourcenschonung, pflanzen Apfelbäume und haben natürlich die Umstellung von fossilen auf erneuerbare Energien im Fokus.
Und wie bringen Sie dann die Strategie tatsächlich in jeden Bereich des Unternehmens?
Wir haben das Thema Nachhaltigkeit als tragende Säule in die Unternehmens-Strategie hineingenommen und nicht nur in einzelne Bereiche, unabhängig von gesetzlichen Vorschriften. Von der Rohstoffauswahl bis zur Endauslieferung greifen wir überall da ein, wo wir das können – und zwar global in allen Werken.
Heruntergebrochen auf die einzelnen Abteilungen heißt das, dass jede Abteilung innerhalb ihrer Roadmap etwas zur Nachhaltigkeit zu sagen hat.
Aber dennoch ist und bleibt Oemeta ja auch ein produzierendes Unternehmen?
Ganz genau. Deshalb müssen wir uns im Rahmen einer nachhaltigen Unternehmensführung stets darum kümmern, wo die Hebel sind, mit denen wir Nachhaltigkeit leben können. Und wenn diese Hebel – wie in unserem Fall – definiert sind, dann lassen sie sich auch auf jeden Bereich des Unternehmens herunterbrechen. Und so bleiben wir ein produzierendes Unternehmen, das nachhaltig arbeitet und dies auch belegen kann.