In vielen Bereichen der Industrie werden die Anwendungen immer kleiner, bei gleichzeitig steigender Leistungsdichte. Diesen Trend müssen auch Steckverbinder mitmachen. Besonders deutlich wird das in der Automatisierungstechnik, die aktuell die Entwicklung in der Industrie wohl entscheidend beeinflusst und vorantreibt. Da in diesem Umfeld Rundsteckverbinder der Größe M12 am häufigsten anzutreffen sind, liegt es nahe, dass die Anforderungen an diesen Stecker ebenfalls steigen müssen. Um mehr Leistung an die Applikationen zu leiten, werden künftig mehr als die übliche 12A Stromstärke benötigt. Eine Leistung von 16A wird zunehmend nachgefragt. Da aber bisherige M12 Steckverbinder bereits nahe an die Grenze des Machbaren entwickelt wurden, stellt sich die Frage…
… wie lässt sich dieser Leistungszuwachs überhaupt erzielen, Herr Guserle?
Martin Guserle: Miniaturisierung und hohe Leistungsdichte ohne Einsparungen an der Qualität der Verbindung sind entscheidend, um beim Kunden die Anwendung optimal zu bedienen. Unser neuer M12 L Steckverbinder nimmt nur 43 Prozent des Raumes der Vorgängertechnologie (7/8″) ein und beansprucht 56 Prozent weniger Platz als das größte Wettbewerbsgehäuse. Zudem ist er zu 100 Prozent Profinet-konform, verfügt über eine vibrations- und klimabeständige 360°-Schirmung und kann in der ersten Stufe auch mit K-Kodierung ausgeliefert werden (630V).
Wie gelang die Entwicklung dieser Innovation?
Der digitale Zwilling macht’s möglich. Früher waren die Entwicklungsprozesse viel aufwändiger. Da wurde basierend auf Erfahrungswerten konstruiert und im Anschluss ein Muster gebaut. Dann wurde der Prototyp im Labor getestet und nicht selten stellte man fest, dass noch technische Veränderungen vorgenommen werden müssen. Heute wird Geschwindigkeit bei Innovationen immer wichtiger. Je mehr digital am Produkt abgeprüft werden kann, desto schneller sind die Entwicklungszyklen. Physische Muster werden einfach im 3D-Druck-Verfahren erstellt, um Haptik, Optik, Handling sowie Assemblierung in der Produktion und beim Kunden zu verifizieren. Da Steckverbinder heute weitestgehend vorausgedacht und -berechnet werden, kommen wir zielgerichtet zur technisch besten Lösung und vermeiden dadurch auch die Verschwendung von jeder Menge Ressourcen. Antworten auf die aktuellen Herausforderungen in der Oberflächentechnik-Branche gibt die SurfaceTechnology GERMANY, 04. – 06. Juni 2024 in Stuttgart! Die Kombination aus Ausstellung und Fachforum – zu top aktuellen Themen – macht es möglich! ‣ weiterlesen
SurfaceTechnology GERMANY
Welche ‚Werkzeuge‘ kommen dabei zur Anwendung?
Lapp nutzt aktuell verschiedene Simulationen, um dieses Leistungsplus zu erreichen. Die Finite-Elemente-Methode (FEM) kommt zum Einsatz, um kritische Stellen am Bauteil konstruktiv richtig zu dimensionieren. Zudem werden unsere Neuprodukte ‚digital‘ berechnet, um eine sichere Auslegung zu gewährleisten. So ist gewährleistet, dass die Produkte zuverlässig über die komplette Lebensdauer funktionieren. Wenn alle Berechnungen und Simulationen abgeschlossen und in die Konstruktion mit eingeflossen sind, erstellt Lapp ein erstes 3D-Muster – ein reales Muster, an dem sich Ergonomie, Bauraum und Design beurteilen lassen. Abschließend muss der auskonstruierte Steckverbinder neben seiner Funktion auch noch so aufgebaut sein, dass er prozesssicher herstellbar ist. Eine Füllsimulation gibt Aufschluss über die Gestaltung der Werkzeuge für die Spritzgussteile und zeigt ebenfalls Optimierungen an.
Welche Rolle spielt dabei der Digital Twin?
Mit der Arbeit am digitalen Zwilling können wir heute genau ausloten, wo die maximalen Grenzen beispielsweise bei der Temperaturverteilung, dem Kontaktwiderstand und der Strombelastung liegen und überall das Optimum herausholen. Die Entwicklungsprozesse werden damit viel schneller, ressourcenschonender und preisgünstiger. Lapp hat sich schon früh mit diesen Themen beschäftigt und zählt zu den führenden Anbietern, die alle möglichen digitalen Tools für Innovationen verwenden.