Forschung und Industrie Hand in Hand

 ‚Mit technologiebasierter und nachhaltiger Produktion zur Kreislaufwirtschaft‘ lautete das Motto des WGP-Jahreskongresses 2023. In Freudenstadt präsentierten vom 20. bis zum 23. November Forschende und Unternehmensvertreter neue Ideen und produktionstechnische Ansätze, um aktuelle Herausforderungen zu meistern. Sie deckten eine breite Spanne an Themen ab, von Energie- und Materialeffizienz über resiliente Wertschöpfungssysteme und aktuelle Aspekte der Kreislaufwirtschaft bis hin zu Digitalisierung als Enabler. „Nachhaltigkeit werden wir nur technologiebasiert erreichen können und der diesjährige WGP-Kongress hat den hierfür notwendigen Innovationsraum sehr präzise umrissen und wissenschaftlich erarbeitet sowie eine Vielzahl anwendungsnaher Lösungen präsentiert“, so WGP-Professor Thomas Bauernhansl vom Institut für Industrielle Fertigung und Fabrikbetrieb (IFF) der Universität Stuttgart.

Bild: Fotoatelier Ebinger
WGP-Jahreskongress 2023, Podiumsdiskussion bei fischerwerke (Referenten von links nach rechts): Prof. Dr. Erich Zahn, Prof. Dr. Alexander Sauer, Andreas Voll (Vorsitzender der Geschäftsführung) und Dr. Kurt SchmalzBild: Fotoatelier Ebinger

In der Eröffnungskeynote erläuterte Dr. Kurt Schmalz, geschäftsführender Gesellschafter des Unternehmens J. Schmalz aus Glatten, dass die marktführende mittelständische Unternehmensgruppe bestehende Produkte und Verfahren kontinuierlich weiterentwickelt und neue Technologien schnell adaptiert. Das wiederum erlaubt es dem Unternehmen, eine globale Vorreiterrolle im Bereich wettbewerbsfähiger und umweltneutraler Produktion einzunehmen. Treiber der erfolgreichen Produktinnovationen ist die Tatsache, dass gelebte Nachhaltigkeitsansätze bereits seit Jahrzehnten eine zentrale Säule der Unternehmenskultur darstellen. Schmalz präsentierte außerdem aktuelle Forschungsprojekte, an dem sein Unternehmen beteiligt ist, wie das Projekt ‚ReduCO2‘ als Teilprojekt von ‚H2BlackForest‘, in denen die Nutzung von Wasserstofftechnologien in der Region Nordschwarzwald erforscht und weiterentwickelt werden.

Standort Deutschland stabilisieren

Dass Nachhaltigkeit und Kreislaufwirtschaft nicht nur für das gesunde Fortbestehen auf diesem Planeten notwendig, sondern auch eine unternehmerische Pflicht sind, um sich zukunftsfähig aufzustellen, zeigte Maximilian Bronner, Geschäftsführer Produktion und Technik fischerwerke. „Unter dem Druck steigender Kosten sowie dem Mangel an qualifizierten Mitarbeitern ermöglicht eine effizientere Produktion mit schlanken Prinzipien die Aufrechterhaltung des Standorts Deutschland“, mahnte er. Bei fischer werden aus diesem Grund Lean-Prinzipien im fischer Prozesssystem (fPS) beschrieben und bei Prozessverbesserungen nachhaltig integriert. Die Varianz der Endprodukte wurde zudem um mehr als 70 Prozent reduziert; das wirkt sich positiv auf Bereiche wie Flächenproduktivität, Energieeffizienz und Produktionskosten aus. Gleichzeitig trieb fischer die Digitalisierung der Produktion voran, womit Steuerungsprozesse und Fertigung transparenter wurden.

Vielversprechende Forschungsprojekte

Der WGP-Jahreskongress gibt traditionell Nachwuchswissenschaftlern die Möglichkeit, ihre Forschungsergebnisse der Öffentlichkeit zu präsentieren. In diesem Jahr wurden insgesamt 74 Paper ausgewählt, die als besonders vielversprechend angesehen werden. So berichtete beispielsweise Marco Lukas vom Institut für Transport- und Automatisierungstechnik (ITA) der Leibniz Universität Hannover, wie mithilfe von Data-Mining die Temperatursteuerung des Kautschuk-Extrusionsprozesses hinsichtlich Effizienz und Nachhaltigkeit optimierbar ist. Die Methode findet u.a. Anwendung in Kautschukextrusions- und Kautschukmisch-Prozessen, lässt sich aber auch auf weiterführende Abläufe übertragen.

Zahnrad- und andere Produktionen optimieren

Hanwen Zhang und Gonsalves Grünert vom Werkzeugmaschinenlabor (WZL) der RWTH Aachen zeigten auf, dass eine prozesskettenübergreifende Analyse die Qualität und Nachhaltigkeit in der Produktion von Zahnrädern positiv beeinflusst. Dazu wurde analysiert, welchen Einfluss die Fertigungsdaten auf die Qualität des Zahnrads und welche Auswirkungen die Produktionsschritte auf die Umwelt haben. Es zeigte sich, dass eine detaillierte Analyse der neu identifizierten Einflussgrößen dazu beitragen kann, Ausschuss in der Fertigung zusätzlich zu minimieren. Gleichzeitig konnten durch die ökologische Bewertung unterschiedlicher Fertigungsfolgen circa 200 Gramm CO2e bei der Fertigung der Ritzelwelle eingespart werden. Die Methode bietet eine innovative Möglichkeit, neben bekannten Einflussfaktoren auch bisher unbekannte Störgrößen in der Fertigung zu identifizieren. Das erlaubt eine ganzheitliche Betrachtung der Prozesskette und eröffnet wiederum neue Forschungsansätze zur Optimierung. Zudem erlaubt die Methode die Überwachung der Umweltauswirkungen, um eine umweltneutrale Fertigung bei gleichbleibender Qualität zu verwirklichen. Grundsätzlich ist die Methode auf jede Fertigungsprozesskette anwendbar.

Prozessschwankungen verhindern

Des Weiteren analysierte Thomas Wild vom Lehrstuhl für Fertigungstechnologie (LFT) der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg den Einfluss einer fertigungsbedingten Erwärmung der Werkzeuge bei der Herstellung von Funktionsbauteilen aus Aluminiumblechwerkstoffen mittels Fließpressen. In diesen Untersuchungen konnte zunächst festgestellt werden, dass bereits eine geringfügige Temperaturerhöhung auf 80°C das Umformergebnis durch eine höhere Formfüllung beeinflusst. Für die Serienfertigung von eng tolerierten Funktionsbauteilen stellt dieser Zusammenhang folglich eine Herausforderung dar. Denn trotz instationärer Fertigungsbedingungen zu Beginn eines Fertigungsloses sollen kontinuierlich maßhaltige Bauteile hergestellt werden, um Ausschuss zu vermeiden und eine höhere Materialausnutzung zu gewährleisten. Dazu ist jedoch eine genaue Kenntnis des Anlaufverhaltens des Prozesses notwendig, die in dieser Studie erarbeitet werden soll. Als mögliche Kompensationsmaßnahmen für die genannte Prozessschwankung können eine zeitliche Anpassung des Stößelweges oder ein Vorwärmen der Werkzeugaktivteile herangezogen werden.

Insgesamt zeigte der WGP-Jahreskongress einmal mehr, wieviel Potenzial in den Nachwuchswissenschaftlern steckt und wie sie mit ihren innovativen Ideen eine heute für manche noch utopisch klingende durchgehende Kreislaufwirtschaft erstaunlich schnell vorantreiben. Die erarbeiteten Ansätze versprechen einen bedeutenden Beitrag zur Förderung der Nachhaltigkeit in fertigungs- und produktionstechnischen Systemen.

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