Mechaniken, Stege, Tremolos und Strap Locks gehören zu den Spezialitäten von Schaller. Ende 1945 als eine Reparaturwerkstatt für Radios und andere elektronische Geräte gegründet, begann Schaller durch eine unternehmerische Partnerschaft mit einem Instrumentenbauer mit der Entwicklung und Fertigung von Gitarrenbauteilen. In den 1960er Jahren zählte der Betrieb bereits zu einem der wichtigsten Lieferanten für Gitarrenzubehör in Europa. Besonders die Mechaniken von Schaller eilten ihrem Ruf vorraus. Die Mechanik M6 war die weltweit erste vollgekapselte und selbstsperrende Präzisionsmechanik. International führende Gitarrenhersteller wie Gibson, Ovation und Fender setzen seither auf die Bauteile der Musikschmiede.
Hochgenaue Bauteile
Die Mechaniken dienen bei den Zupfinstrumenten zum Spannen und Stimmen der Saiten. Sie sitzen am Kopf der Gitarre und verfügen über eine Übersetzung, um eine hohe Präzision beim Stimmen der Saiten zu gewährleisten. Wichtige Eigenschaften sind zudem die Leichtgängigkeit und Stabilität durch Selbsthemmung. Je höher die Präzision der Bauteile, desto höher ist die Qualität der Mechanik.
>>Die Wirbeleinheit läuft jetzt seit über einem Jahr 24/7 in der Maschine<<
Ein zentrales Teil der Mechanik ist das Schneckengewinde. Dieses Gewinde gab der Abteilungsleiterin der CNC-Dreh- & Frästechnik Nicole Gawatsch Potential zur Verbesserung. „Das Schneckengewinde haben wir mit einem Scheibenfräser gefräst. Die Bearbeitungszeit war uns hier zu lang. Wir mussten das Teil zu oft in die Hand nehmen und umspannen“, erläutert Gawatsch. „Wir sind auf der AMB 2018 auf das innengekühlte Jet-Wirbeln von Horn aufmerksam geworden und haben darauf gleich den für uns zuständigen Horn-Außendienstmitarbeiter kontaktiert“, ergänzt Betriebsleiter Dominik Weininger.
Erstes Wirbelsystem mit Innenkühlung
Mit dem Jet-Wirbeln stellte Horn das erste Wirbelwerkzeug mit innerer Kühlmittelzufuhr vor. In Zusammenarbeit mit W&F Werkzeugtechnik entwickelte Horn ein Wirbelsystem, das eine optimierte Kühlung direkt an die Schneide bietet. Dabei bestand die große Herausforderung, den Kühlschmierstoff bei beengten Platzverhältnissen direkt an die Schneide zu bringen – und dies bei hohen Drehzahlen des Wirbelaggregates. Die teilweise im Plattensitz integrierten Kühlkanäle weisen jeder Schneide eine Kühlung zu und ermöglicht so hohe Standzeiten. Zudem geht die Kühlung direkt durch den Spanraum. Des Weiteren erreicht das System in Verbindung mit dem stabilen Wirbelaggregat bessere Oberflächengüten am Werkstück. Durch das Zusammenspiel von der Kegel- und Plananlage bei der patentierten W&F-Schnittstelle erreicht der Wirbelkopf eine hohe Wechselgenauigkeit sowie ein bedienerfreundliches Wechseln mit nur drei Schrauben. Die innere Kühlmittelzufuhr verringert das Risiko eines Spänestaus zwischen den Schneidplatten. Die Schnittstelle bietet einen Rund- und Planlauf von 0,003mm. Die maximale Drehzahl liegt bei 8.000U/min.
Bauteilfertigung enorm verkürzt
Nach einer Anpassung während des Projekts gestaltet sich der Wirbelvorgang prozesssicher. „Die Wirbeleinheit läuft jetzt seit über einem Jahr 24/7 in der Maschine. Wir sind sehr zufrieden mit dem Werkzeugsystem“, weiß Betriebsleiter Weininger zu schätzen. Die erfolgreiche Optimierung zeigt sich auch in der Bearbeitungszeit. Für das Fräsen des Schneckengewindes benötigte Gawatsch rund eine Minute. Das konventionelle Wirbeln dauerte 40 Sekunden. „Mit dem innengekühlten Wirbeln haben wir die Bearbeitungszeit nochmal auf nur noch 20 Sekunden pro Bauteil halbiert. Bei der sehr hohen Anzahl von Bauteilen im Jahr ist dies eine enorme Einsparung“, berichtet Gawatsch. Neben der reduzierten Bearbeitungszeit verbesserte sich die Oberflächengüte der gefertigten Bauteile nochmals deutlich. Darüber hinaus erhöhte sich die Standzeit der Wendeschneidplatten um ein Vielfaches.
Wirbeln – die Technologie
Das Wirbelverfahren ist bereits seit 1942 bekannt und unterlag lange Zeit keinen wesentlichen Weiterentwicklungen. Das konventionelle Gewindewirbeln ist ein Verfahren, das vorwiegend auf Langdrehmaschinen zur Fertigung von Knochenschrauben, aber auch in größerer Dimension für die Herstellung von Gewindespindeln zur Anwendung kommt. Im Prozess wird der schnell rotierende Wirbelkopf exzentrisch zur Werkstückachse vor der Führungsbuchse des Langdrehers angestellt und das rotierende Werkstück mit einer axialen Vorschubbewegung in den Wirbelkopf geführt. Der Wirbelkopf ist hierbei um den Gewindesteigungswinkel eingeschwenkt.
Zum Einsatz kommt bei Schaller lediglich eine Variante des Wirbelkopfes mit Schneidplattensitzen für die Wendeschneidplatte des Typs S302. „Wir müssen für die verschiedenen Gewinde nur die Schneidplatten wechseln“, freut sich Gawatsch. Das dreischneidige System S302 setzt Horn hauptsächlich beim Wirbeln ein. Die Fertigungspräzision beim Schleifen der Schneideinsätze ist hoch. Die drei Schneiden unterliegen beim Drehen einer Längentoleranz von unter 0,005mm. Dies stellt die hohe Rundlaufgenauigkeit des Gesamtsystems, die hohe Wechselgenauigkeit beim Drehen der Schneidplatten sowie die daraus resultierende hohe erreichbare Oberflächengüte sicher. „Das Schneidenprofil des Systems S302 lässt sich auf fast jeden Sonderwunsch des Anwenders anpassen“, beschreibt Horn-Außendienstmitarbeiter Peter Rümpelein, „egal ob für ein- oder mehrgängige Gewinde.“
Meilenstein – gesetzt von Horn
Das Wirbelverfahren erfand der deutsche Karl Burgsmüller im Jahr 1942. Achtzig Jahre später setzt die zerspanende Industrie immer noch auf dieses Verfahren, da es bedeutende Vorteile gegenüber anderen Gewindeherstellungsverfahren bietet. Die Werkzeuge entwickelten sich in dieser Zeit ständig weiter. Horn stellte beispielsweise 2018 mit dem Jet-Wirbeln ein innengekühltes Wirbelverfahren vor – ein Meilenstein in der Wirbeltechnologie.
Hohe Zerspanraten, lange Gewinde mit hohen Oberflächengüten, tiefe Gewindeprofile, kurze Späne, mehrgängige Gewinde und geringe Werkzeugbelastungen sind wesentliche Vorteile des Wirbelprozesses. Dem Anwender stehen allerdings auch technische Herausforderungen gegenüber. Ein wichtiger Aspekt sind die eingesetzten Werkstoffe, etwa bei Knochenschrauben. Die Werkzeugschneiden der Wirbelplatten sind bei der Zerspanung von Titan, nicht rostenden Stählen und anderen Superlegierungen besonders hohen Belastungen ausgesetzt. Um dem Schneidkantenverschleiß bei dem gewünscht hohen Spanungsvolumen und kurzer Bearbeitungszeit entgegenzuwirken, müssen Werkzeughersteller die eingesetzten Werkzeuge und Prozesse ständig optimieren und weiterentwickeln.
Knowhow in Wirbelprozessen
Mit dem Jet-Wirbeln stellt Horn in besonderer Weise sein Knowhow in der Gewindebearbeitung unter Beweis. Die Süddeutschen beherrschen darüber hinaus aber auch weitere Verfahren, zum Beispiel das High-Speed-(HS)-Wirbeln. Diese Technologie entstand in Kooperation mit dem Maschinenhersteller Index-Traub. Das HS-Wirbeln bietet eine hohe Produktivitätssteigerung aufgrund der parallelen Dreh- und Wirbelbearbeitung.