Bei der Taglens handelt es sich um eine spezielle Form einer Gradientenlinse. Sie erhält ihre optischen Eigenschaften nicht durch gewölbte Oberflächen, sondern durch einen zu ihrem Zentrum hin kontinuierlich ansteigenden (Sammellinse) oder abfallenden (Zerstreuungslinse) Brechungsindex.
Faszinierendes Funktionsprinzip
Die Besonderheit dieser Gradienten-linse ist, dass bei der Taglens (Tunable Acoustic Gradient Index Lens) eine räumliche und zeitliche Variation des Brechungsindex durch eine akustische Welle in ihrem Inneren erzeugt wird. Das optische Material der Linse ist dabei nicht fest, sondern eine Flüssigkeit auf Silikonbasis, in der durch einen umliegenden Piezoring eine stehende Welle ausgebildet wird. Diese sorgt für eine Dichteverteilung und somit einen radialen, dynamischen Gradienten des Brechungsindex innerhalb der Flüssigkeit. Dabei beschreibt die Verteilung des Brechungsindex im Zentrum der Linse eine Besselfunktion. Infolgedessen weist die Taglens die idealen optischen Eigenschaften einer asphärischen Linse auf.
Das Silikonöl muss für den Einsatz in der Linse verschiedene Kriterien erfüllen. Neben besonderen Eigenschaften hinsichtlich der Manipulation des Brechungsindex durch eine akustische Welle muss es auch eine geringe Absorption in einem möglichst breiten Wellenlängenbereich aufweisen. Hier gibt es neben dem für den sichtbaren Bereich optimierten ‚Standard-Silikon‘ auch schon Entwicklungen hin zu Varianten, die im nah-infraroten Spektrum transparent sind, um die Linsen in einem noch größeren Anwendungsgebiet nutzen zu können.
Vielfältig nutzbar
Die Taglens lässt sich in verschiedenste optische Aufbauten einbinden. Die Bandbreite reicht von der Beobachtung winziger Details in Mikroskopaufbauten über Systeme für die In-Line-Kontrolle in der Serienfertigung bis hin zu Laseranwendungen. Auf allen Gebieten können Anwender auf unterschiedliche Weise von ihrem Einsatz profitieren. Durch die Ergänzung der Taglens mit der Mitutoyo Pulsed Light Source (PLS) – einer mit der Linse synchronisierten, schnell-gepulsten Lichtquelle – ist der Funktionsumfang der Linse noch einmal zusätzlich erweiterbar. Beispielsweise erlaubt diese Kombination, die Bilderfassung auf einzelne Bereiche (Phasen) während einer Oszillation des Brechungsindex zu beschränken und somit auf einzelne Ebenen zu fokussieren. Mit dem Einsatz einer gepulsten Lichtquelle werden auch die neuen 3D- und Autofokusfunktionen erst ermöglicht.
Neue Autofokus- und 3D-Funktionen
Durch die stetige Weiterentwicklung sowohl der Hardware als auch der Taglens-Steuersoftware vergrößert Mitutoyo kontinuierlich das Einsatzgebiet der Linse. Neue Funktionen lassen sich wie gewohnt mithilfe eines Software Development Kit (SDK) einfach in die Kundensoftware integrieren, sodass eine möglichst große Anpassbarkeit gegeben ist. Somit kann nun mit einem einzigen Befehl die Autofokusfunktion genutzt werden. Hierzu wird der Fokusabstand durch Anpassung der Phase der gepulsten Beleuchtung automatisch von Bild zu Bild verschoben und ein rascher Autofokus ohne die Verwendung mechanischer Bauteile realisiert. Diese Funktion ist überall dort von Vorteil, wo in kürzester Zeit fokussiert werden muss und mechanische Bauteile deutlich belastet werden würden oder Bereiche schwer zugänglich sind.
Des Weiteren erlaubt die Taglens jetzt auch das Erfassen von 3D-Daten. So ist es möglich, durch den Einsatz der Linse in Kombination mit dem Mitutoyo Einbaumikroskop VMU-T1 Höhen absolut zu bestimmen. Ähnlich zu dem Vorgehen bei einem Autofokus werden hierzu zunächst mehrere Bilder zu leicht verschobenen Phasen der Taglens aufgenommen. Durch die vorangegangene Einmessung des optischen Systems kann nun jeder Phase eine Fokusposition zugeordnet und durch ein anschließendes Focus-Stacking ausgewertet werden. Hierbei wird jedem Bildbereich eine Höhe zugeordnet.
Stets im Fokus
Die stehende Welle in dem Silikonöl oszilliert mit einer hohen Frequenz von 70kHz. Somit ist die Taglens eine Linse, dessen Brennweite innerhalb von circa 7µs zwischen ihrem positiven und negativen Maximalwert oszilliert. Integriert in ein optisches System führt dies zu einem sich ultra-schnell verschiebenden Fokuspunkt.
Die Höhenwerte können anschließend als Punktewolke ausgegeben und beispielsweise in Mitutoyo MCubeMap ausgewertet oder weiterverarbeitet werden. Aufgrund der hohen Geschwindigkeit, mit der sich die Bilder mit verschiedenen Fokuspositionen aufnehmen lassen, ist die Erfassung der 3D-Daten in sehr kurzer Zeit möglich. Dies erlaubt es, 3D-Analysen auch in zeitsensitiven Anwendungen einzusetzen. Gerade im In-Line-Einsatz wird durch die Integration der Taglens profitiert. So eröffnet sie viele neue Möglichkeiten- wie die simultane Fokussierung auf mehrere Ebenen – und hilft gleichzeitig, den Durchsatz zu erhöhen.